Ein Gespräch über Persönlichkeitsstörungen – Thomas Bihler, Leitender Psychologe der Klinik Menterschwaige, gibt Einblicke zum Krankheitsbild Persönlichkeitsstörung und was Betroffenen hilft.

Herr Bihler, wie äußern sich Persönlichkeitsstörungen?

Persönlichkeitsstörungen zeigen sich in der Art und Weise, wie Menschen mit anderen Menschen in Beziehung treten, aber auch darin, welches Bild eine Person von sich selbst hat und wie sie mit sich umgeht. Menschen mit Persönlichkeitsstörungen nehmen Beziehungen und Situationen häufig stark verzerrt wahr und reagieren immer wieder nach den gleichen Mustern – starr und unflexibel. Konflikte in Paar-Beziehungen und an der Arbeitsstelle sind vorprogrammiert. Beispielsweise nehmen Menschen mit einer Paranoiden Persönlichkeitsstörung ihre Umwelt tendenziell bedrohlich wahr und haben das Gefühl andere wollen ihnen schaden. Daher reagieren sie mit Verdächtigungen, Misstrauen, fühlen sich häufig falsch verstanden, denken in Schuldmustern und sehen die Schuld bei anderen. Denn von Persönlichkeitsstörungen Betroffene können ihre Verhaltensmuster selbst nicht erkennen und wahrnehmen, in der psychiatrischen Fachsprache bezeichnet man diesen blinden Fleck für sich selbst als „ich-synton“. Daher treten die gleichen Probleme, wie bei einem Wiederholungszwang, immer wieder auf und manchmal leidet dadurch die Umwelt mehr unter dem gestörten Beziehungsverhalten als die betroffene Person selbst.

Und die Wurzeln der Persönlichkeitsstörungen?

Diese liegen in der Regel in der Kindheit und sind eine Reaktion auf das frühe Lebensumfeld. Betroffene haben häufig Eltern, die selbst unter psychischen Störungen oder Suchterkrankungen leiden. Weitere Ursachen sind Traumata wie Missbrauch oder Misshandlungen. Menschen mit Persönlichkeitsstörungen wurden als Kinder nicht adäquat, an den jeweiligen individuellen Bedürfnissen orientiert, versorgt und konnten kein Urvertrauen aufbauen. Ihnen fehlen als hilfreich erlebte Beziehungen. Um beim Beispiel Paranoia zu bleiben: Die misstrauischen und von Schuldzuweisungen geprägten Verhaltensweisen, sind ein Abwehrmechanismus, den sich die Betroffenen angeeignet haben, um mit erlittenen Traumata oder fehlenden Beziehungs- und Kontakterfahrung umzugehen, das heißt ihr psychisches Überleben schon im Kindesalter zu sichern.

Bild Persoenlichkeitsstoerungen

Treten die Konflikte in der Kindheit auf?

Diagnostiziert wird einen Persönlichkeitsstörung in der Regel erst im Erwachsenenalter ab 18 Jahren. Bei Kindern tritt eine Persönlichkeitsstörung noch nicht in dieser Form zu Tage, aber bestimmte Störungen des Kindesalters wie ADHS, Bindungsstörungen und andere können Vorläufer einer späteren Persönlichkeitsstörung sein. Persönlichkeitsstörungen treten häufig zusammen mit anderen psychischen Störungen auf. Denn sie verursachen Leid, das wiederum weitere Störungen, wie Depressionen, Suchterkrankungen oder Essstörungen auslösen kann. Wichtig ist daher die professionelle Diagnose eines Fachmanns. Diese erfolgt über ausführliche Gespräche, Fragebögen und Persönlichkeitstests.

Wie wird Patienten in der Klinik Menterschwaige geholfen?

Wir setzen auf einen verstehenden Zugang: Das bedeutet Verständnis für den Patienten zu haben und ihm Wertschätzung zu vermitteln. Die Kontakt-Therapie – die heilende Kraft der Beziehungen, also einer Gruppe einzusetzen – spielt eine zentrale Rolle. Der gruppendynamische Ansatz der Klinik mit der Milieutherapie im Fokus hilft Menschen mit Persönlichkeitsstörung, negative Erfahrungen ihrer Lebensgeschichte aufzuarbeiten und schwierige Muster ihres Erlebens und Verhaltens zu verändern. Die Betroffenen machen positive Erfahrungen in einer Gruppe und stärken ihr Selbstvertrauen – korrigierende Erfahrungen, die zu dauerhaften Veränderungen führen können.

Mit ressourcenorientiertem Ansatz?

Ja genau. Wir arbeiten mit einem sogenannten ressourcenorientierten Ansatz. Das heißt die Patienten werden nicht auf ihre Störung reduziert, sondern wir identifizieren mit ihnen ihre kreativen Potentiale, helfen Perspektiven aufzuzeigen und herauszufinden wer sie sein möchten und sein können. Anders gesagt: bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt und nicht das Symptom oder die Störung. Dementsprechend liegt der Behandlungsfokus auch klar auf der Psychotherapie. Es gibt keine spezifische psychopharmakologische Behandlung im Bereich der Persönlichkeitsstörungen.  Begleitende Symptome oder andere Komorbiditäten, wie z.B.  eine Depression, werden, falls erforderlich, mit Antidepressiva o.ä. behandelt.

Vielen Dank für das Gespräch.