Ein Gespräch über Psychosomatik – Andrzej Guzek, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in der Klinik Menterschwaige, erklärt, wie sich psychische Faktoren auf den Körper auswirken können und was hilft, Seele und Körper wieder in Einklang zu bringen.
Herr Guzek, was ist Psychosomatik?
Friedrich Schiller, der als Mediziner weniger bekannt ist, wie als Dichter, beschäftigte sich bereits 1781 damit und schrieb in seiner medizinischen Diplomarbeit: „Der Mensch ist weder Körper noch die Seele alleine. Er ist die beiden Sachen, sehr eng verbunden zugleich.“ So sehen wir das in der Klinik Menterschwaige auch: Wir betrachten den Menschen ganzheitlich - als biopsychosoziales Wesen, das heißt Körper, Psyche und das soziale Umfeld zusammen. Unter Psychosomatik versteht man heute die Wirkung psychologischer Faktoren auf das Funktionieren des Körpers. Hat ein Patient einen inneren Konflikt, der sich unbewusst abspielt oder nicht in Worte fassen lässt, kann sich dieser mit körperlichen Symptomen, wie Migräneanfälle, einem Reizdarm oder ähnlich äußern.
Was sind weitere psychosomatische Krankheitsbilder?
Unter psychosomatischen Krankheiten verstehen wir jegliche, von äußeren oder inneren psychologischen Faktoren verursachte Störungen, die sich über den Körper äußern. Dabei kann es sich um Funktionsstörungen des Körpers handeln, wie Schmerzen, beispielsweise bei Migräne, aber auch um messbare oder sichtbare physiologische oder anatomische Veränderungen des Körpers, wie Magengeschwüre oder erhöhten Blutdruck. Es gibt eine Vielzahl weiterer psychosomatischer Krankheiten, wie die Hyperfunktion der Schilddrüse, Neurodermitis oder Arthritis. Auch bei Erkrankungen wie Krebs oder Magersucht zeigen sich psychosomatische Zusammenhänge, die bei Diagnose und Therapie eine Rolle spielen können.
Gibt es Menschen, die mehr dafür prädestiniert sind als andere?
Ja, Menschen, die Gefühle und Konflikte nicht oder schlecht wahrnehmen und aussprechen können, sind besonders betroffen. Der medizinische Begriff für diese Erscheinung oder diesen Persönlichkeitszug ist „Alexithymie“ (Griechisch: Unfähigkeit, Gefühle zu lesen). Sie tendieren dazu, seelische Belastungen durch eine Art Körpersprache, also mit psychosomatischen Symptomen, auszudrücken. Wir kennen Redewendungen, wie „Mir liegt etwas auf dem Magen“ oder „Mir platzt der Kopf“. Diese signalisieren symbolisch und bildhaft diejenigen Bereiche des Körpers, die von der Wirkung ungelöster, unbewusster Konflikte betroffen sind, oder werden können.
Wie wird den Patienten in der Klinik Menterschwaige geholfen?
Im ersten Schritt gilt es, an die inneren und äußeren Konflikte des Patienten heranzukommen, sie zu verstehen, d.h. sie mittels tiefenpsychologischer oder analytischer Methodik zu diagnostizieren und dem Patienten verständlich zu machen. Entsprechend diesem gemeinsamen Verständnis des Ursprungs der Symptome (sog. Krankheitsmodell) wird dann für jeden Patienten ein individuelles Therapieprogramm zusammengestellt, das die tiefenpsychologische Arbeit mit verschiedenen nichtverbal-, körper- und kreativ-orientierten Therapien, wie der Bewegungs-, Tanz-, Musik-, Theater- oder auch Reittherapie, ergänzt. Spezialangebote, wie die Musiktherapie, bieten Patienten, die ihre Gefühle, wie Ärger oder Wut, nicht in Worte fassen können, die Möglichkeit, diese musikalisch auszudrücken. Das ist häufig weniger beängstigend als beispielsweise die Wut direkt anzugehen oder zu spüren. Man kann sie herausspielen und sich somit davon entlasten. Auch die Tanztherapie eignet sich, um Gefühle mit dem Körper über den Tanz zu zeigen. Dazu kommt die heilende Wirkung der Musik und der Bewegung selbst.
Vielen Dank für das Gespräch.